Ein Kleinod im doppelten Wortsinn ist die Ägidienkapelle am Naumburger Domplatz. Sie diente ursprünglich einem Domkapitular als Andachtsraum und wurde Anfang des 13. Jahrhunderts zeitgleich mit den ältesten Teilen des Doms errichtet. Dieser außergewöhnliche kleine Kapellenraum besitzt eine ausgezeichnete Akustik. Im Inneren ist an der Südseite der Rest eines Tympanons zu sehen, der einen knienden Bogenschützen und Palmetten zeigt. In der Nordwand blieb das spätromanische Portal erhalten. Im mitteldeutschen Raum finden sich selten Kirchen oder Kapellen, die dem heiligen Ägidius geweiht sind. Vermutlich wurde dieser 640 als Sohn einer wohlhabenden Athener Familie geboren. Er verließ die Heimat und lebte als Einsiedler in einer Höhle an der Rhone-Mündung. Der Legende nach nährte ihn eine Hirschkuh mit ihrer Milch. Während einer Jagd des Westgotenkönigs Wamba (gest. 680) wurde diese Hirschkuh gejagt; Ägidius stellte sich schützend vor das Tier und wurde von einem Pfeil getroffen. Die Wunde blieb ihm bis zum Lebensende erhalten. Zur Vergebung der Schuld an der Verletzung ließ König Wamba ein Kloster errichten. Bis zum Tod stand Ägidius dem Kloster Saint Gilles als Abt vor. Ägidius war im Mittelalter einer der beliebtesten Heiligen. Er ist Schutzpatron der Mütter und Hirten. Seine Fürbitte wird erbeten bei Sturm und Feuersbrunst, geistiger Not und Verlassenheit. Die Ägidienkapelle ist in der Straße der Romanik gelistet.
Weitere Informationen:
Ägidienkapelle Naumburg
Domplatz 8
06618 Naumburg
Tel.: 03445 2301120 oder 2301133
www.naumburg- dom.de
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Textquelle:
Heilig, Helga: Saale-Unstrut 99 Mal entdecken! Halle (Saale): Mitteldeutscher Verlag, 2020.
Bildquelle:
Ebd.