Auf die „Lese-Seiten" bin ich erstmals über meine Beratertätigkeit bei der PwC für den TWSD Verbund aufmerksam geworden. Seitdem verfolge ich diese Seiten und die vielseitigen Beiträge sehr interessiert. Im Kreise meiner neuen Kollegen wurde ich dann darauf angesprochen, ob ich nicht auch Lust hätte, einen eigenen Beitrag zu schreiben. So entstand die Idee eines Interviews mit dem Vorsitzenden des Merseburger Altstadtvereins, Herrn Horst Fischer, meinem Vater. Und in der Folge dann der (eigentlich längst überfällige) Schritt, dass ich einen Aufnahmeantrag für die Mitgliedschaft im Merseburger Altstadtverein gestellt habe.
Lutz Fischer
1. Den Namen Merseburg verbinden viele mit einer grauen Stadt in einer Chemieregion. Was macht denn heute Merseburg lebens- und liebenswert?
Das beschriebene Image wurde noch vor 25 Jahren durch folgende Situation geprägt: mit Buna und Leuna zwei Chemiekombinate im Norden und Süden in Sichtweite der Stadt, im Osten und Westen Braunkohlenabbau im Tagebau Wallendorf und seit über einhundert Jahren im Geiseltal, am Ufer der Saale eine Zellstoff- und Papierfabrik und am unmittelbaren Stadtrand ein sowjetischer Militärflughafen! Da hat es immer mehr oder weniger gestunken. Grauer Karbid- oder brauner Kohlestaub bedeckte Straßen und Dächer. Die Saale schäumte oft wie die Lauge bei einer Waschmaschine und die Düsenjets ließen beim Durchbrechen der Schallmauer Tag und Nacht die Gebäude erzittern und die Menscher erschrecken.
Inzwischen hat sich viel verändert. Auf dem Flugplatz starten und landen bei geeignetem Wetter nur wenige Sportmaschinen oder Oldtimer und ein Technikmuseum gestattet eine interessante Reise in die Vergangenheit. Das Gelände der Papierfabrik ist beräumt und der Saaleradwanderweg führt darüber. Die Tagebaurestlöcher haben sich in eine Seenlandschaft verwandelt und aus Buna und Leuna sind moderne Chemieparks geworden. In Merseburg lässt es sich jetzt also gut leben. Und wer sich für Kunst und Geschichte interessiert, hat auch viele Gründe, diese Stadt zu lieben.
Merseburg ist über eintausend Jahre alt. Es wurde von Heinrich I. gegründet, unter Otto I. zum Bistum und für Heinrich II. zur Lieblingspfalz. Hier endete mit dem Tod von Rudolph von Schwaben als Gegenkönig von Heinrich IV. auch der durch den Investiturstreit ausgelöste Machtkampf um die deutsche Königskrone. Jahrhunderte später prägten dann die Merseburger Herzöge, Ableger des Dresdener Hofs, ein Kapitel deutscher Kunstgeschichte. Und durch die Festlegungen des Wiener Kongress nach dem Sieg über Napoleon kam Merseburg zur Preußischen Provinz Sachsen, wurde Regierungsbezirksstadt und Versammlungsort für den Provinziallandtag. Das alles hinterließ mit Dom und Schloss und Ständehaus imposante Gebäude, alte Friedhöfe und unzählige Kunstgegenstände und Dokumente.
Die beiden Merseburger Zaubersprüche sind die ältesten bis heute gefundenen heidnischen Beschwörungsformeln aus vorchristlicher Zeit. Sie wurden um 950 in karolingischer Minuskelschrift im althochdeutschen Dialekt aufgeschrieben, stammen aber aus der Zeit um 750. Eine einfache, leicht verständliche Einführung dazu bietet das vom Merseburger Altstadtverein herausgegebene gleichnamige Kinderbuch.
Der Merseburger Altstadtverein (MAV) bildete sich als gemeinnütziger Verein im Januar 1991 aus der 1989 entstandenen Arbeitsgruppe "Stadtgestaltung" des Neuen Forums heraus. Ihm gehören heute 80 Mitglieder an. Satzungsgemäß sieht er seine Hauptaufgabe in der Förderung der Denkmalpflege und Kunst, in der Förderung der Heimatverbundenheit und bei der Mitwirkung der Stadtgestaltung. Neben mannigfaltigen Formen ehrenamtlichen Einsatzes stellt er dabei auch nicht unerhebliche finanzielle Mittel für die Erhaltung oder Pflege von Kulturwerten oder zur Durchführung von vielen Vorhaben zur Verfügung.
Der MAV hat sich das Ziel gesetzt, keine finanzielle Unterstützung von der öffentlichen Hand zu beantragen, sondern diese mit seinen Vorhaben zu entlasten. Gegenwärtig tragen die Vereinsmitglieder durch ihre Mitgliedsbeiträge und Spenden mit etwa 3000 € zum Haushaltsvolumen des Vereins bei. Ein Betrag in gleicher Größenordnung kann aus eigener Kraft durch den Verkauf vereinseigener Publikationen und mit Erlösen bei Veranstaltungen erzielt werden. Diese Summe reicht aber für all die Vorhaben, die in den Blick des Vereins gelangen oder die ihm angetragen werden, nicht aus. Somit bestimmen die Spenden Dritter letztendlich den Rahmen des Möglichen. Für Interessenten sei an dieser Stelle unsere Bankverbindung und unsere Kontaktadresse mitgeteilt:
Merseburger Altstadtverein e.V., Kontonummer: 33 100 15 652, BLZ: 800 537 62
Anschrift: Horst Fischer, Nulandtstr. 18, 06217 Merseburg
E-Mail-Adresse: merseburger_altstadtverein@t-online.de
Eine Homepage wird in allernächster Zeit ins Netz gestellt.
Mit seinen Aktionen unterstützte der MAV bisher mit über 175.000 € Einrichtungen der Stadt Merseburg, des Landkreises Saalekreis, der Vereinigten Domstifter und des Evangelischen Kirchspiels Merseburg. Besondere Beispiele seiner Finanzierungs- und Tätigkeitsschwerpunkte sind neben den vielseitigen Unterstützungen für Domschatzkammer und Fürstengruft, für Stadtarchiv und Stadtbibliothek und für das Kulturhistorisches Museum Schloss Merseburg:
-die Neumarktkirche St.Thomae (Erhaltung, Nutzung und Ausgestaltung des Gebäudes mit moderner sakraler Kunst und die Durchführung des jährlichen Benefizkonzertes
-die Ladegastorgel im Dom (Zustiftungen zur Dietrich-Herfurth-Stiftung über die jährliche Durchführung des Orgelspektakels)
-die MER-Licht-Projekte (Anstrahlung historischer Gebäude)
-die Kinderprojekte (Kinderbücher, Kinderorgel, Rasenspiele, alkoholfreie Saftbar)
-der Stadt- und der Altenburger Friedhof (Faltblätter, Grabmale
für und Pflege von Gräbern berühmter Merseburger Persönlichkeiten, Rettung barocker Grabmale).
Bei dem zuletzt genannten Tätigkeitsschwerpunkt haben wir allerdings durch einen schweren Kunstraub von sechs barocken Grabmalen im Mai dieses Jahres einen herben Rückschlag erhalten. Gegenwärtig steht nach Bergung und Sicherstellung der so genannten "Pestnonne", der ältesten Grabplatte des Stadtfriedhofs, an der sich auch ein Diebstahlsversuch abzeichnete, deren Restaurierung im Mittelpunkt.
Mit dem genannten Würfelspiel möchten wir Kindern Kenntnisse zum Stadtplan, zu Straßennamen und zu wichtigen Sehenswürdigkeiten Merseburgs vermitteln. Die Spielidee ist eine fiktive Stadtführung vom Stadtzentrum bis zum Dom. Dabei können die Spieler das Ziel auf unterschiedlich langen Wegen erreichen. Sie können bis zu 14 Sehenswürdigkeiten unserer Stadt, die auf dem Spielplan an passender Stelle eingefügt sind, kennen lernen und Wissenswertes erfahren. Das Spielziel besteht allerdings nicht darin, schnell am Dom anzukommen, indem man den kürzesten Weg nimmt oder schnell an den Sehenswürdigkeiten vorbeieilt. Vielmehr sollte man sich möglichst viele Stationen auch in aller Ruhe anschauen. Daraus ergibt sich für das Merseburgspiel eine Besonderheit: es gewinnt jener Spieler, der sich die meiste Zeit lässt und dessen Stein als letzter den Dom erreicht. Diese "verkehrte Welt", aber ganz logische Sichtweise, hat schon sehr viel Begeisterung ausgelöst. Und viel Zustimmung haben wir auch dafür bekommen, dass wir auf Verpackungskarton, Würfel (wer hat den nicht zur Hand?) und auf Spielfiguren (notfalls tun es auch Steinchen oder Knöpfe) verzichtet haben und somit das A3-formatige, laminierte Spiel für nur 3 € verkaufen können. Zu haben ist dieses in der Tourist- und in der Schloss- und Dominformation. Verschicken lässt es sich wegen seiner Größe leider nicht.
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Fotos: Lutz Fischer