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Reisebilder - Die Harzreise: Teil 1

Reisebilder - Die Harzreise: Teil 1

Heinrich Heine

50 Jahre nach Goethes Harzwanderung machte sich auch Heinrich Heine auf die Reise durch den Harz.
Er begann seine Wanderung in Göttingen und wanderte über Osterode und Klausthal nach Goslar. Das Ende der Wanderung bildeten der Aufstieg zum 
Brocken und der Besuch des Ilsetals und des llsesteins.
Die Erfahrungen der Reise schrieb Heine in seinem Buch „Reisebilder" nieder. Solche Reiseberichte waren in der damaligen Zeit sehr beliebt, da viele Menschen nicht reisen konnten und sich durch die literarischen Werke auf eine gedankliche Reise durch verschiedene Regionen begeben konnten.
Wir begeben uns mit Heinrich Heine auf den Weg durch den sachsen-anhaltinischen Teil des Harzes. In diesem Teil des Artikels berichtet uns Heinrich Heine von seiner scheinbar sehr angenehmen Begegnung mit einem jungen Hirten.

 Cyntia Rammel

 

Der junge Hirte - ein Freund des natürlichen Lebens

Nach dem Stand der Sonne war es Mittag, als ich auf eine solche Herde stieß, und der Hirt, ein freundlich blonder junger Mensch, sagte mir, der große Berg, an dessen Fuß ich stände, sei der alte, weltberühmte Brocken. Viele Stunden ringsum liegt kein Haus, und ich war froh genug, dass mich der junge Mensch einlud, mit ihm zu essen. Wir setzten uns nieder zu einem Déjeuner dînatoire (Mittagsfrühstück), das aus Käse und Brot bestand; die Schäfchen erhaschten die Krumen, die lieben, blanken Kühlein sprangen um uns herum und klingelten schelmisch mit ihren Glöckchen und lachten uns an mit ihren großen, vergnügten Augen. Wir tafelten recht königlich; überhaupt schien mir mein Wirt ein echter König, und weil er bis jetzt der einzige König ist, der mir Brot gegeben hat, so will ich ihn auch königlich besingen.

 

König ist der Hirtenknabe.
Grüner Hügel ist sein Thron,
Über seinem Haupt die Sonne
Ist die schwere, goldne Kron‘.

Ihm zu Füßen liegen Schafe,
Weiche Schmeichler, rotbekreuzt;
Kavaliere sind die Kälber,
Und sie wandeln stolzgespreizt.

Hofschauspieler sind die Böcklein,
Und die Vögel und die Küh‘,
Mit den Flöten, mit den Glöcklein,
Sind die Kammermusici.

Und das klingt und singt so lieblich,
Und so lieblich rauschen drein
Wasserfall und Tannenbäume,
Und der König schlummert ein.
 

Unterdessen muß regieren
Der Minister, jener Hund,
Dessen knurriges Gebelle
Widerhallet in der Rund.

Schläfrig lallt der junge König:
»Das Regieren ist so schwer,
Ach, ich wollt, daß ich zu Hause
Schon bei meiner Kön´gin wär!

In den Armen meiner Kön‘gin
Ruht mein Königshaupt so weich,
Und in ihren lieben Augen
Liegt mein unermeßlich Reich»

 

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Text entnommen aus "Kennst du Heinrich Heine?"

Titelbild von erich_westendarp_pixelio.de

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