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Die Merseburger Rabensage

Die Merseburger Rabensage

Lutz Fischer

Merseburger Rabe
Merseburger Rabe

Um das Jahr 1500 residierte in Merseburg ein Bischof namens Thilo von Trotha. Ihm wird nachgesagt, ein konsequenter Herrscher gewesen zu sein.   

Bischof Thilo hatte einen treuen Diener namens Johannes. Dieser war sein engster Vertrauter, hatte am  Hofe eine Sonderstellung und deshalb eine Reihe von Neidern. Zu denen gehörte auch der Jäger Ulrich, dem der Bischof die Pflege des Hausraben anvertraut hatte.  

Eines Tages verschwand aus den Gemächern des Bischofs sein kostbarer Siegelring. Niemand außer ihm und seinem Diener Johannes hatte Zugang zu diesen Gemächern. Einige Bedienstete verdächtigten deshalb Johannes, den Ring gestohlen zu haben.  Johannes beteuerte, er wüsste nichts über den Verbleib des Ringes und der Bischof vertraute seinem langjährigen treuen Diener.

Jäger Ulrich, welcher schon seit geraumer Zeit darum bemüht war in der Gunst des Bischofs zu steigen, sah die Gelegenheit gekommen, Johannes loszuwerden.  Er prägte dem gelehrigen Raben heimlich die Worte „Johannes Dieb" ein. 

Rabenkäfig
Rabenkäfig
Eines Tages hörte der Bischof, wie sein Rabe diese Worte sprach und sah dies als ein Gottesurteil. Die Enttäuschung, dass sein treuster Diener und engster Vertrauter ihn bestohlen und belogen hatte, saß tief. Er befahl, Johannes auf der Stelle zu enthaupten.

Johannes beteuerte nochmals den Ring nicht gestohlen zu haben. Doch der Bischof glaubte ihm nicht mehr und hielt an seinem Urteil fest. In seinen letzten Worten rief Johannes, er werde noch, nachdem sein Kopf gefallen sei, zum Zeichen seiner Unschuld die Hände gen Himmel richten und drei Schritte laufen. So geschah es. Bischof Thilo beschlich ein ungutes Gefühl. Aber mit der Zeit verflogen seine Zweifel wieder, auch weil sein Rabe die Worte „Johannes Dieb" regelmäßig wiederholte.

Kinderbüchlein Merseburger Altstadtverein
Kinderbüchlein Merseburger Altstadtverein
Es vergingen einige Jahre. Da beschädigte ein heftiger Gewittersturm das Dach der Bischofsresidenz so stark, dass es erneuert werden musste. Bei der Beseitigung der Schäden fanden die Bauleute im Nest des Raben den Siegelring des Bischofs......

Der Bischof war untröstlich. Hatte er doch seinen treusten Diener und engsten Vertrauten unschuldig hinrichten lassen. Zur Mahnung an künftige Herrscher, nie wieder ein Urteil im Jähzorn zu fällen, errichtete er im Schlosshof zu Merseburg einen Rabenkäfig. Hier büßt bis zum heutigen Tage ein Rabe für den Diebstahl des Ringes. Seit einigen Jahren jedoch nicht mehr allein, sondern mit einer Partnerin an seiner Seite.

Was wurde aus Jäger Ulrich? Quellen berichten, er verschwand an dem Tage spurlos, an welchem der Ring entdeckt wurde. Mit seiner (nicht korrigierbaren) Schuld musste er seither jedenfalls leben und sich (als der Tag gekommen war) vor einem höheren Richter verantworten....

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Fotos: Horst und Lutz Fischer

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