Angrenzend an das in Sachsen-Anhalt liegende Städtchen Wörlitz begann um 1765 Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau mit der Planung des ersten Landschaftsparks auf dem europäischem Festland. Der 112,5 Hektar große Park mit seinem Schloss und weiteren interessanten, ganz unterschiedlichen Bauten ist heute die bedeutendste Anlage des im Jahr 2000 in die UNESCO-Liste des Weltkultur- und Naturerbes aufgenommenen Dessau-Wörlitzer Gartenreichs. Dieses wiederum befindet sich im Biosphärenreservat Flusslandschaft Mittelelbe.
Fürst Franz von Anhalt-Dessau interessierte sich schon in jungen Jahren für die Wissenschaft, die schönen Künste und die Philosophie der Aufklärung. Er bereiste England und nahm dort Ideen von Freiheit und Toleranz auf. Da ihm Friedrich II. von Preußen eine Übersiedelung mit seiner bürgerlichen Geliebten nach England nicht gestattete, übernahm er gezwungenermaßen 1758 die Regentschaft seines an der Elbe und der Mulde gelegenen Fürstentums und heiratete Luise von Brandenburg-Schwedt. In seinem Einflussbereich versuchte er nun recht erfolgreich, die von ihm verinnerlichten Vorstellungen von Freiheit und Toleranz umzusetzen. So waren der herrliche Park, den er später schuf und fast alle Gebäude darin von Anfang an für jedermann, egal ob arm oder reich, zugänglich. Er wollte auch den einfachen Menschen durch das Besichtigen des Parks ein bis in die Antike zurückreichendes Bildungsgut vermitteln. Insgesamt legte er mit seiner Aufgeschlossenheit den Grundstein für soziale Reformen nach englischem Vorbild. Eine sogenannte „Grand Tour“ führte ihn zusammen mit dem befreundeten Architekten Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff nach Italien, Frankreich und Großbritannien. Die auf diesen Reisen gewonnenen Eindrücke und Erfahrungen flossen unübersehbar in die Gestaltung des großen Englischen Landschaftsgartens in Wörlitz ein. Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff war der Baumeister für die interessanten und vielseitigen Bauten im Park. Er beflügelte mit seinem Stilpluralismus die Architekturentwicklung in Deutschland. Neben dem Wörlitzer Park wurden mehrere Jahrzehnte lang durch Fürst Franz und Erdmannsdorff weitere Landschaftsgärten in der Nähe von Dessau angelegt und es entstand ein regelrechtes Netzwerk von Parkanlagen, deren Stile zum Teil verschiedenen Gegenden Europas entlehnt wurden.
Zwischen 1769 und 1773 wurde der Wörlitzer Park als Englischer Garten an einem Seitenarm der Elbe angelegt. Einen großen Anteil am Gartenentwurf hatte der Hofgärtner Johann Friedrich Eyserbeck. Neben Ihm waren an der Gestaltung der Parkanlage auch noch zahlreiche andere Gärtner beteiligt. Nach einigen von ihnen sind bestimmte Gartenteile benannt. Im Norden wird der Park durch einen Wall, auf dem ein Weg verläuft, von den Elbauen getrennt. Von hier oben hat man einen sehr schönen Blick auf die Sichtachsen der Anlage. Bauwerke, Denkmäler, Plastiken und floristische Elemente sind in diese Sichtachsen eingebunden. Um den vierarmigen Wörlitzer See herum ordnen sich fünf Gartenteile an. Die zahlreichen Gewässer im Park werden von 17 sehr phantasievoll gestalteten Brücken überspannt, von denen die Weiße Brücke, auch Chinesische Brücke genannt, wahrscheinlich die bekannteste ist. Sie führt über den Wolfskanal an der Einmündung in das kleine Wallloch und besteht ausschließlich aus Stufen, die zur Mitte hin flacher werden. Die Eiserne Brücke war die erste gusseiserne Brücke Deutschlands und führt über den Georgskanal. Auch eine schwingende Kettenbrücke gibt es im Park, die heute allerdings nur noch von je einer Person betreten werden darf.
Zeitgleich mit der Anlage des Landschaftsparks begann der Bau des Schlosses Wörlitz. Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff entwarf die Baupläne und Innendekoration des Schlosses für das jungvermählte Fürstenpaar. Es entstand nach dem Vorbild englischer Landhäuser und wird als Gründungsbau des deutschen Klassizismus angesehen. Durch seine Schlichtheit und Eleganz unterscheidet es sich wesentlich von anderen Schlossbauten dieser Zeit. Eine Besonderheit ist der Lichthof in seinem Zentrum um den sich die Vorhalle, zwei Säle und zehn weitere Räume gruppieren. Das Schloss beherbergt auch heute noch zahlreiche englische Keramiken, antike Plastiken, Stuckarbeiten und wertvolle Gemälde im Original. Ein unterirdischer Gang verbindet es mit dem nahegelegenen Küchengebäude.
1773 begann der Bau des nördlich des Wörlitzer Sees gelegenen Gotischen Hauses nach Entwürfen des Architekten Erdmannsdorff und des Baudirektors Georg Christoph Hesekiel. Es wurde bis 1813 mehrfach erweitert und gilt als eines der ersten neugotischen Gebäude außerhalb Englands. Besonders markant sind die beiden völlig unterschiedlichen Fassaden des Hauses. Die vordere Seite, an der der Wolfskanal vorbeifließt, ähnelt einer venezianischen Kirche, die Gartenseite ist im Stil der englischen Tudorgotik erbaut. Ursprünglich war das Gotische Haus als Gärtnerwohnung vorgesehen. Dieses im Frühjahr von herrlich blühenden Gehölzen umrahmte, imposante Gebäude, vor dem heute zuweilen Pfauen stolzieren, wählte Fürst Franz später zu seinem privaten Rückzugsort. Er lebte dort mit der Gärtnerstochter Luise Schoch und den gemeinsamen drei Kindern.
Neben dem Schloss und dem Gotischen Haus können sich die Besucher des Wörlitzer Parks beim Wandern durch die schöne Parklandschaft an zahlreichen weiteren Gebäuden und Plastiken erfreuen. Einige sind auch verkleinerte Nachbildungen berühmter Sehenswürdigkeiten, wie z.B. das Pantheon. Viele Gebäude besitzen einen Bezug zur Antike.
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Bildquellen:
Wörlitzer Park - Felseninsel Stein und Villa Hamilton, Matthias Seifert, gemeinfrei
Wörlitzer Park am 24. April. 2005, Gotisches Haus, Darstellung der Form "Englischer Garten".Erbanor in der Wikipedia auf Deutsch, gemeinfrei
Wörlitzer See Eichenkranz und Gondelplatz um 1900, gemeinfrei