Sie war nicht nur die Frau an der Seite des großen Gesellschaftstheoretikers Karl Marx. Doch bis heute steht Jenny Marx, die Tochter aus deutschem Dienstadel, in seinem Schatten.
Während Karl Marx´ Bekanntheit bis heute ungebrochen ist, geriet seine Gattin als eigenständige Persönlichkeit über die Jahre fast in Vergessenheit. Vielleicht, weil sie eine Frau war, dazu eine, die sich als bekennende Sozialistin politisch engagierte? Vielleicht, weil historische Quellen über ihr Leben heute vergleichsweise dürftig sind?
Merkwürdig verschwommen sind somit auch viele Lebensstationen der Jenny Marx. Oft muss man sich auf die Bühne der Spekulation begeben, um ihre Existenz zu erkunden. Bis vor Kurzem bestand nicht einmal Sicherheit über die Originalität ihres Antlitzes auf den Abbildungen, die von ihr im Umlauf sind. Nachweislich gibt es nur wenige Fotografien, die das Aussehen der Jenny Marx, geborene von Westphalen, belegen.
Als „Ballkönigin" und „schönstes Mädchen von Trier" soll sie als junge Frau in aller Munde gewesen sein. Ein Brief von Karl Marx an seine „Herzensjenny" berichtet davon. Frühe Leidenschaft für einander verbindet Jenny von Westphalen mit dem vier Jahre jüngeren Karl Marx. Bereits als Kinder hatten sie sich kennengelernt.
Der Landrat Ludwig von Westphalen, Jennys Vater, zog 1816 mit seiner Familie von Salzwedel nach Trier. Jenny war gerade zwei Jahre alt. In Trier knüpfte der Vater Kontakte zu Justizrat Heinrich Marx, Karls Vater, und war bald mit ihm befreundet. Jennys Bruder ging gemeinsam mit Karl Marx zur Schule. An den Diskussionsrunden, die der liberale Herr von Westphalen für die beiden Klassenkameraden organisierte, ließ er auch Jenny teilhaben. Von ihren Zeitgenossen wird sie als witzige, intelligente und wortgewandte Rednerin beschrieben. Ihre Belesenheit und ihr Talent, ohne Vorbereitung aus Goethes und Shakespeares Werken zu zitieren, machten sie schnell zu einem gern gesehenen Mitglied der Jungengesellschaft. Aber auch wenn Gäste im Haus erschienen, konnte Jenny mit Selbstbewusstsein und fremdsprachlicher Begabung Eindruck machen. Sie selbst hielt sich für eine empfindsame Frau, die Rosen mochte und Florence Nightingale als ihr Vorbild sah. Abhängigkeit und Undankbarkeit konnte sie nicht ausstehen.
Karl Marx, noch Jurastudent, verlobte sich 1836 heimlich mit Jenny. Erst sieben Jahre später konnte das Paar sich in Bad Kreuznach verheiraten.
Jenny nahm von Anfang an regen Anteil an der Arbeit und den politischen Vorstellungen ihres Mannes. Er legte großen Wert auf ihr Urteil. Sie müssen sich gut ergänzt haben. Auch als nach vielen Jahren die Ehe Risse bekam, durch eine Affäre Karls, war es Jenny Marx daran gelegen, um jeden Preis die einst so unerschütterliche Verbindung nach außen aufrechtzuerhalten. Denn wer, wenn nicht Jenny hätte die schier unleserliche Schrift aus Marx´ Manuskripten entziffern, kopieren, redigieren und für den Druck vorbereiten können? Nein, sie war nicht bloß Marx´ Sekretärin, sie schrieb selber politische Texte über die Märzrevolution in Deutschland sowie Theaterkritiken, verhandelte mit Verlegern und half ihrem Mann seine Fremdsprachenkenntnisse zu verbessern. 1847 wurde der Bund der Kommunisten gegründet. Am Verfassen des Kommunistischen Manifestes war neben Marx und Engels auch Jenny beteiligt. Sie formulierte die ersten Zeilen auf der einzig noch erhaltenen Seite des Originals.
Nach der Hochzeit begann eine rastlose Odyssee durch Europa, die voller Entbehrungen war. Aus politisch motivierten Gründen floh das Paar im Oktober 1843 zunächst nach Paris. Hier traf es mit Heine und Tolstoi zusammen. Doch in Paris konnten beide nicht bleiben und reisten nach Brüssel. Jenny lernte dort Friedrich Engels kennen, der im Nachbarhaus wohnte und oft finanziell Unterstützung leistete. In Belgien wurde Karl verhaftet und auch Jenny musste einige Stunden im Gefängnis verbringen. Bald darauf wurden sie wieder ausgewiesen. Nach einem weiteren Intermezzo in Paris konnten die Marx´ in London endlich etwas Ruhe finden. Wie ein Schock musste es ihr vorgekommen sein, nach einer wohlbehüteten und finanziell sorglosen Kindheit, über Jahrzehnte bittere Armut ertragen zu müssen. Von sieben Kindern starben ihr vier. Drei Töchter, Jenny, Laura und Eleanor, überlebten. Die Familie war oft krank, litt unter Mietschulden, Mangelernährung und den beengten Wohnverhältnissen.
Die Erbschaft, die Jenny nach dem Tod ihrer Mutter erhielt, reichte, um schließlich ein angenehmeres Dasein führen zu können. Karl Marx´ Veröffentlichung des ersten Bandes seines Hauptwerkes „Das Kapital" besserte außerdem die leere Familienkasse zusehends auf.
Im Dezember 1881 verstarb Jenny Marx an Leberkrebs.
Es beweist eine Menge Mut, Selbstbeherrschung, Anspruch und Überzeugung einen Weg zu gehen, wie sie ihn gegangen ist.
Jenny hatte nur kurze Zeit in Salzwedel verbracht, doch ihr Geburtshaus nahe der Marienkirche kann heute noch besichtigt werden. Das Erdgeschoss hält eine Ausstellung über ihr Leben bereit. Im Februar 2014 beging Salzwedel zudem den 200. Geburtstag von Jenny Marx.
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Gemälde Jenny Marx, gemeinfrei
Fotografie von Jenny Marx im Jahr 1864, gemeinfrei