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Johann Winckelmann
Begründer der klassischen Archäologie und modernen Kunstwissenschaften

Klaus-Werner Haupt

Das Porträt eines außergewöhnlichen Aufklärers, dessen mysteriöser Mord bei seinen zeitgenössischen und namhaften Verehrern - wie Goethe, Herder oder Anna Amalia - einen Schock auslöste.

Johann Wilhelm Ludwig Gleim

Johann Wilhelm Ludwig Gleim

Klaus-Werner Haupt

und das Jahrhundert der Freundschaft

Johann Ludwig Wilhelm Gleim wurde am 2. April 1719 in Ermsleben/Harz geboren. Nach seiner Ausbildung an der Oberpfarrschule Wernigerode immatrikulierte er 1738 an der juristischen Fakultät der Friedrichsuniversität in Halle/Saale. Seine Neigung galt der Poesie. Gemeinsam mit dem Fechtlehrer Paul Jakob Rudnick (1718-1740), dem Juristen Johann Peter Uz (1720-1796) und dem Theologiestudenten Johann Nikolaus Götz (1721-1781) gründete er den Zweiten Halleschen Dichterkreis: lebensfrohe anakreontische Dichtung gegen lustfeindlichen Pietismus. 1741 ging Gleim als Hauslehrer nach Potsdam. Dort befreundete er sich mit dem Leutnant Ewald Christian von Kleist (1715-1759) und ermutigte ihn zum Schreiben. Bis zu Kleists Tod verband beide eine tiefe Freundschaft. 1744 begab sich Gleim in die Dienste des Prinzen Friedrich Wilhelm von Brandenburg-Schwedt (1715-1744). Auch dieser wurde ein Opfer des Zweiten Schlesischen Krieges. Gleim verdingte sich als Sekretär des Fürsten Leopold I. von Anhalt-Dessau (1676-1747), genannt der Alte Dessauer. 1747 - nach zwischenzeitlichem Aufenthalt in Berlin - begann eine neue Epoche: Der 28-jährige übernahm die Stelle des Domsekretärs in Halberstadt. Nachdem die Verlobung mit einer Amtmannstochter aus Blankenburg 1753 wieder gelöst worden war, blieb Gleim unverheiratet. Den Haushalt seines gastfreundlichen „Hüttchens" am Domplatz führte seine Nichte Sophie Dorothea Gleim (1732-1810). 1756 kam zu der Stelle als Verwalter des Domstiftes noch das Kanonikat des Stifts Walbeck hinzu. Beide Einkommen ermöglichten dem bürgerlichen Mäzen die Unterst&uuuml;tzung mittelloser Talente.
Gleimhaus
Gleimhaus
Bereits 1744 entstand im Stil des antiken Lyrikers Anakreon (6. Jh. v. Chr.) Gleims Versuch in Scherzhaften Liedern. Ende der 1760er/Anfang der 1770er Jahre unterstützte „Vater Gleim" den Halberstädter Dichterkreis um Johann Georg Jacobi und Wilhelm Heinse. Der schwärmerische Briefwechsel, insbesondere mit Jacobi, zeugt vom Freundschaftskult jener Zeit. „Die Thätigkeit der jungen Männer stand in ihrer schönsten Blüte. [...] Frauenzimmer, Freunde, Gönner werden nicht schlecht finden, was man ihnen zuliebe unternimmt und dichtet; aus solchen Verbindlichkeiten entspringt zuletzt der Ausdruck eines leeren Behagens aneinander, in dessen Phrasen sich ein Charakter schnell verliert, wenn er nicht von Zeit zu Zeit zu höherer Tüchtigkeit gestählt wird", schreibt Johann Wolfgang von Goethe in Dichtung und Wahrheit. In Gleims Haus fanden die sogenannten Spinoza-Gespräche zwischen Gotthold Ephraim Lessing und Friedrich Heinrich Jacobi statt. 1771 lernte Gleim den Dichter Christoph Martin Wieland endlich persönlich kennen. Ab 1775 zählte Johann Gottfried Herder zu seinen Gästen, ab 1794 Johann Heinrich Voß. Gleim schmückte seinen „Freundschaftstempel" mit mehr als 150 Porträts. So konnte er mit den von ihm verehrten Zeitgenossen „von Angesicht zu Angesicht" kommunizieren. Im November 1794 sandte Friedrich von Matthisson mit seinem eigenen das Bildnis des Altertumsforschers Johann Joachim Winckelmann von Rom nach Halberstadt. An beiden konnte sich der Empfänger nicht müde sehen.
Porträt Winckelmann
Porträt Winckelmann
Nach mehr als fünf Jahrzehnten gab Gleim sein Amt als Domsekretär auf, erblindet verstarb er am 18. Februar 1803. Sein literarisches Schaffen umfasst neben anakreontischen Scherzgedichten, Fabeln und Sinngedichten patriotische Werke zum Siebenjährigen Krieg, darunter Preußische Kriegslieder von einem Grenadier ((1757/58). Seine Verehrung galt Friedrich dem Großen, der für ihn „der Einzige" war. Angeregt durch die Koranübersetzung seines Freundes Friedrich Eberhard Boysen verfasste Gleim 1773 die orientalischen Parabeln Halladat: oder Das rothe Buch. 1786 fasste er in Die goldenen Sprüche des Pythagoras die Leitgedanken der Aufklärung zusammen. Allerdings blieben auch diese ohne nachhaltige Wirkung. Als wegweisend für das ausgehende 18. Jahrhundert gilt Gleims „natürlicher" Briefstil. Er pflegte ein Netzwerk aus mehr als 500 Korrespondenzpartnern, von denen er ca. 10.000 Briefe archivierte. Über tausend wechselte er mit der Dichterin Anna Louisa Karsch (1722-1791). Die über 12.000 Bände umfassende Bibliothek stand Freunden jederzeit offen und machte das Gleimhaus in Halberstadt zu einer renommierten Adresse. Gleims breit gefächerte Sammlungen gelten als größter Dichternachlass des 18. Jahrhunderts.

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Quellen:

Pott, Ute/Stört, Diana: Gleim-Lesebuch. Hrsg. im Auftrag des Gleimhauses. Zweite überarbeitete Auflage Koch-Druck Halberstadt 2009

Goethe, Johann Wolfgang von: Dichtung und Wahrheit. Zweiter Teil, Zehntes Buch. Hrsg. von S. M. Prem. Max Hesses Verlag Leipzig 1910, Bd. 15, S. 147

Hentrich, Martin: Friedrich Eberhard Boysen. Ein Halberstädter übersetzt den Koran. In: Zwischen Harz und Bruch, Heimatzeitschrift für Halberstadt und Umgebung. Dritte Reihe, Heft 61 (Dezember 2010), S. 42 - 45


Bildnachweis:

( 1 ) Johann Heinrich Tischbein d. Ä., Porträt Gleim (1771). Gemeinfrei

( 2 ) Gleimhaus am Halberstädter Domplatz. Foto: Klaus-W. Haupt (2014)

( 3 ) Ferdinand Hartmann, Porträt Winckelmann (1794) nach Angelika Kauffmann. Gemeinfrei

 

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