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Geschichten aus der Mitte Deutschlands
Johann Gottfried Wilhelm Gangloff

Johann Gottfried Wilhelm Gangloff

Bernd Kröber

Ein Wilderer im Harz

 

In manchen Gegenden Deutschlands sind die Wilddiebe, die dort ihr (Un)wesen getrieben haben, in besserer Erinnerung als die jeweiligen Landesherren. Bis in die Neuzeit war die Jagd im Wesentlichen ein Adelsprivileg. Der regierende Fürst bestimmte über Hirsche, Rehe, Wildschweine und Hasen und wehe dem, der sich unerlaubt an den Tieren vergriff. Den Wilderern drohten drastische Strafen.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts sorgte im Harz der Wilddieb Johann Gottfried Wilhelm Gangloff für Aufsehen. Geboren wurde er am 23. Mai 1794 in Hohlstedt in der Goldenen Aue als Kind einer armen Weberfamilie. Auch für den Sohn bot sich nur der Weberberuf. Er nahm seinen Wohnsitz in Sylda, heute ein Stadtteil von Arnstein im Landkreis Mansfeld-Südharz. Im Jahr 1817 heiratete er. Aus seiner Ehe gingen vier Söhne und zwei Töchter hervor. Um seine Familie zu ernähren, entschied er sich eines Tages, sich als Wilderer zu betätigen. Der Harz mit seinen vielen Bergen, Hügeln, Tälern, Klüften und zusammenhängenden Waldgebieten bot dazu ein geeignetes Gelände. Gangloff bereitete sich gründlich auf seinen „Nebenberuf" vor. Er beobachtete heimlich die Förster der Umgebung bei ihrer Arbeit und ihren Gepflogenheiten. Er suchte und pflegte den Kontakt mit Jägern und Jagdaufsehern und entwickelte sich zu einem ausgezeichneten Schützen. Obwohl er schon bald im Verdacht der Wilderei stand, konnte man ihm lange Zeit nichts nachweisen. Es gelang ihm sogar, das Vertrauen des Barons von der Asseburg zu gewinnen, der ihn wegen seiner Zielsicherheit und seiner guten Umgangsformen auf Treib- und Gesellschaftsjagden mitnahm. Mit den Gastwirten in der Region pflegte er einen freundschaftlichen Umgang. Sie waren für ihn wichtige Informanten und dankbare Abnehmer für das von ihm erlegte Wildbret. Die meisten damaligen Harzbewohner waren arme Leute. Oft herrschte Hungersnot. Deshalb freute sich nicht nur die Familie des Johann Gottfried W. Gangloff, wenn der Vater wieder einmal erfolgreich gewesen war.

Auch bei seinen Mitbewohnern war er beliebt. Vielleicht fiel manchmal auch für sie ein Stück Fleisch ab, vor allem aber war die Wilderei eine der markantesten Formen der Auflehnung und des Ungehorsams, welche der „kleine Mann" den oft sehr anmaßenden Landesherren entgegenbringen konnte. Umso eifersüchtiger wachte der Adel über sein Jagdmonopol.

Dass Gangloff lange nicht überführt werden konnte, hatte vor allem drei Gründe. Erstens schoss er immer mit der Kugel und war ein ausgezeichneter Schütze. So stießen die Revierjäger nie auf von ihm angeschossene Tiere. Zweitens verarbeitete er das von ihm erlegte Wild gleich vor Ort in abgelegenen und schwer zugänglichen Höhlenverstecken und drittens hatte er sein Jagdgebiet bis zur Gegend um Naumburg und zum Kyffhäuser ausgedehnt, so dass seine Beutezüge nicht so leicht auffielen.

Trotzdem geriet er zunehmend in Verdacht. Mehrfach wurde er verhaftet und verhört, doch lange Zeit gelang es nicht, ihn zu überführen. Als eines Tages der Revierjäger Stief, der dafür bekannt war, dass er Gangloff nicht leiden mochte, von Schrotkugeln getroffen tot im Wald aufgefunden wurde, verdächtigte man diesen wieder, den Rivalen ermordet zu haben. Doch abermals konnte man Gangloff nichts nachweisen. Damit hätte der endgültig gewarnt sein müssen, doch er konnte das Wildern nicht lassen. Als er eines Abends bei Vollmond unter einen Baum herging, wollte es der Zufall, dass auf diesem Baum der Revierjäger Siebert aus Pansfelde saß und einem Dachs auflauerte. Siebert erschrak und verursachte ein Geräusch, vorauf Gangloff seine Gewehr zückte und auf den Revierjäger schoss, ohne ihn zu treffen. Dennoch fiel der vor Schreck vom Baum, blieb jedoch unverletzt. Gangloff suchte das Weite, war nun jedoch enttarnt. Auf seine Ergreifung wurde eine hohe Belohnung ausgesetzt.

Bei einer erneuten Begegnung am 10. Juni 1837 wurde Gangloff von Siebert angeschossen. Ein Barbier fand ihn, als er versuchte, in einem Wald seine verletzte Schulter zu kühlen. Man brachte den Wilderer in eine Gaststätte in Pansfelde, wo man ihn notdürftig versorgte. Danach wurde er festgenommen und nach Sangerhausen in Untersuchungshaft gebracht. Dort im Gefängnis legte er ein umfassendes Geständnis über seine Beutezüge ab. Als sein Schicksal bekannt wurde, veranstalteten die Jäger im Harz eine Sammlung, um Gangloff den Aufenthalt im Gefängnis zu erleichtern. Dennoch erlag der Wilderer noch im November desselben Jahres seinen Verletzungen. Seine Leiche wurde auf Staatskosten an der Stadtmauer von Sangerhausen beerdigt. Die genaue Begräbnisstätte ist nicht bekannt.

In seinem Heimatort Sylda fand zu seinen Ehren ein gewaltiger Trauerzug statt. Seine Witwe wurde mit Beileidsbekundungen überhäuft. Die von ihm jahrelang überlistete und gedemütigte Jägerschaft veranstaltete eine Gemeinschaftsjagd, bei der Geld für die Errichtung eines Kreuzes zum Gedenken an Gangloff gesammelt wurde.

Noch im selben Jahr gestand ein ehemaliger Freund des ermordeten Revierjägers Stief auf dem Sterbebett, dass er diesen getötet hatte, weil er ihm Geld schuldete, das er nicht zurückzahlen konnte. So war Gangloff vom Verdacht des Mordes befreit und blieb nur als dreister aber edler Wilderer in Erinnerung. Er wurde zum Helden mehrerer Sagen. Bis heute wird seiner in der Harzregion gedacht.

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Fotos: Renate Wölfer 

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