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Es waren einmal zwei Brüder. Sie hießen Jacob und Wilhelm Grimm und lebten zusammen und waren untrennbar. Gemeinsam hatten sie einen Traum: Sie wollten alle deutschen Märchen sammeln und aufschreiben, damit alle Menschen sie lesen konnten.
Johann Friedrich Reichardt

Johann Friedrich Reichardt

Ulrike Unger

Nur wenigen Menschen dürfte heute noch der Name Johann Friedrich Reichardt ein Begriff sein, obwohl dieser zu seinen Lebzeiten einen bedeutenden Anteil an der Vertonung von Liedern Johann Wolfgang Goethes hatte und seine Gartenanlage in Giebichenstein wegen ihrer Schönheit einst romantische Dichter von Nah und Fern anlockte.
Reichardt wird im Jahre 1752 in der weltoffenen Stadt Königsberg geboren. Sein Vater, der hier als Stadtmusikus sein Geld verdient, macht den Sohn von Kindesbeinen an mit der Musik vertraut. Zeitig lernt er Violine spielen und kann bereits als Knabe gemeinsam mit dem Vater auf Konzertreisen gehen. Dieser hatte wohl ein verborgenes Talent im jungen Johann Friedrich entdeckt, denn er lässt ihn gern als „Wunderkind" mit seinem Instrument auftreten. 1775 hat der musikalische Sprössling das Glück als Kapellmeister an den Hof des Preußenkönigs Friedrich des Großen berufen zu werden. Ein wichtiger Erfolg für den begeisterten Komponisten, der aufgrund seiner vielen Reisen auch eine Menge Interessantes aus der Welt zu berichten hat. So tut er sich ferner als Reiseschriftsteller hervor, der der Nachwelt eine beeindruckende Briefkorrespondenz hinterlassen hat. Als Reichardt nach knapp zwanzig Jahren unehrenhaft aus dem Dienst bei Hofe entlassen wird, siedelt er sich kurzerhand im Halleschen Giebichenstein an. Grund für seine Entlassung ist seine Befürwortung der Französischen Revolution. Stark differierende Lebensanschauungen in Bezug auf die gesellschaftlichen Umwälzungen in Frankreich werden in späteren Jahren auch das einstmals enge freundschaftliche Verhältnis zu Johann Wolfgang Goethe abkühlen.
Es beginnt die Zeit, in der Reichardt, der nach dem Tod seiner ersten Frau inzwischen ein zweites Mal verheiratet ist, Gefallen an der prachtvollen Architektur englischer Gärten findet. Schritt für Schritt erschafft er sich um das Gelände seines neu erworbenen Gutes eine eindrucksvolle Parkanlage im Stile romantisch-verträumter Naturbilder nach Wörlitzer und Weimarer Vorbild. Nicht nur aufgrund der gestalterischen Sorgfalt und Hingabe, wird diese schnell prominent. In den Jahren 1791 bis zu Reichardts Tod 1814 wird sein weitläufiger Privatgarten zum vergnüglichen Treffpunkt und Ort des Austausches zwischen Persönlichkeiten aus Literatur und Wissenschaft. Johann Wolfgang Goethe, den Reichardt 1789 in Weimar kennenlernt, ist seitdem ein häufiger Gast im Garten des Komponisten. Die „Herberge der Romantik" erfreut sich darüber hinaus großer Beliebtheit bei Clemens Brentano, Achim von Arnim, Ludwig Tieck, Jean Paul oder Novalis. Vielfach gelobt wird die hervorragende Aussicht auf das, die romantischen Dichter inspirierende, Umland mit der mäandernden Saale, den Porphyrfelsen, den Wiesen und hier und da gelegenen Weinbergen sowie der nahen Burg Giebichenstein. Auch Reichardt selbst hat in seinen Briefen den Gutshof mitsamt dem Garten als reizvollen Ort für Romantiker beschrieben.
Der Komponist legt zudem viel Wert auf die Natürlichkeit seiner Gartenlandschaft, er hält sie frei von künstlichen Ruinen, von Statuen, Brücken oder Säulen. Stattdessen kann sich der lustwandelnde Besucher an einer reichen Vielfalt der Flora und Fauna erfreuen. Staudengewächse und Blumenrasen, Fliederbüsche und Nadelhölzer lässt Reichardt hier in geschmackvoller Anordnung gedeihen.
Da er ausgesprochen musikalisch talentiert ist, erscheint es nicht weiter verwunderlich, dass man an manch warmen Abenden im Freien, unter Freunden und Gästen Gesang und Klavierspiel lauscht. Es ist vor diesem Ambiente leicht vorstellbar, dass es sich ergeben haben mag, dass Goethe seinen guten Freund Reichardt bittet, einige seiner eigenen Lieder zu vertonen. Bald erklingen bei den musikalischen Zusammenkünften auch Goethes Dichtungen in einem melodischen Gewand. Sicher wird es diesen gerührt und im Gegenzug Reichardt Wertschätzung eingebracht haben. Zum Gelingen der beschaulichen Abende tragen vielfach die Töchter des Komponisten bei, die allesamt hervorragende Stimmen haben, mit denen sie die Zuhörer in ihren Bann ziehen. Reichardt liegt viel an der Musik, ihrer Ausübung und Weitergabe. So bildet er selbst seine Bediensteten am Waldhorn aus, damit sie den Gesang im Freien instrumentell begleiten können.
Der Garten in Giebichenstein spielt außerdem für die Entstehung der großen Liedersammlung „Des Knaben Wunderhorn" der beiden Herausgeber Achim von Arnim und Clemens Brentano eine nicht unwesentliche Rolle. Die Hausmusik im volksliedhaften Ton schwebt vielen Zeitgenossen als Teil der Verkörperung des romantischen Lebens vor. Das damit verbundene Lebensgefühl, das man als verloren glaubte, ins Volk zurückzubringen, ist Anliegen Brentanos und von Arnims. Die Vertonung der gesammelten Texte aus dem Werk der zwei Dichter lehnt Reichardt jedoch ehrfürchtig ab, als diese ihn darum bitten.
Zum Ende seines Lebens reist er nur noch wenig und stirbt schließlich verarmt auf seinem Gut. Einige Jahre zuvor söhnt Reichardt sich mit Goethe aus, jedoch erreicht er bei ihm nie wieder den Status des vertrauten musikalischen Ratgebers.
Eines der bekanntesten Volkslieder, welches durch Johann Friedrich Reichardt seine Melodie erhält, ist das Herbstlied „Bunt sind schon die Wälder". Heute steht Reichardts Dichterpark unter Denkmalschutz.

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Quellen: 

http://www.halle.de/de/Kultur-Tourismus/Sehenswertes/Gruenes-Halle-entdecken/Reichardts-Garten/
http://www.perlentaucher.de/autor/johann-friedrich-reichardt.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Friedrich_Reichardt
http://de.wikipedia.org/wiki/Reichardts_Garten
Hans Wahl/ Anton Kippenberg: Goethe und seine Welt. Leipzig: Insel-Verlag 1932.

 

 

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