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Erscheint im März 2015

Paulus Luther

Sein Leben von ihm selbst aufgeschrieben. Ein wahrhaftiger Roman

Christoph Werner

Ein lesenswerter und informativer historischer Roman, der das Leben Paul Luthers - jüngster Sohn Martin Luthers und seines Zeichens fürstlicher Leibarzt und Alchimist - erzählt.

Paul Luther in Wittenberg

Paul Luther in Wittenberg

Christoph Werner

Der jüngste und berühmteste Sohn des Reformators

Paulus oder Paul Luther (1533-1593), der jüngste Sohn des Reformators, verbrachte seine Kindheit und Jugend in Wittenberg, das damals zum Kurfürstentum Sachsen gehörte. Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Buch von Christoph Werner, "Paulus Luther, sein Leben von ihm selbst aufgeschrieben", das im Bertuch-Verlag erschienen ist.

Wenn es auf dem Weihnachtsmarkt einzukaufen galt, waren wir eifrig dabei. Den Weihnachtsmarkt in unserer Stadt gab es seit A. D. 1468, und man konnte kaufen, was das Herz begehrte, so man die nötigen Pfennige und Groschen hatte. Der Vater äußerte sich über den Wittenberger Markt nicht lobend: Es ist unser Markt ein Dreck, und teuer ist er auch.Wir fanden ihn schön laut und bunt, und die Viehhändler aus dem Kurfürstentum, aus Pommern und Polen, die Bäcker, Schmiede, Spengler, Böttcher, Rossehändler, die Barbiere, Steinstecher und Zahnzieher, die Brillenmacher und Wunderärzte, die Hut- und Haubenmacherinnen, die Sattler, Täschner, Schuster und Riemer, die Schneider, Kerzenzieher und Holzschneider, alle boten ihre Handwerkskunst und Waren an, mit Geschrei. Lieblich roch es von der Rats-Garküche, wo wir aber nichts aßen, da die Mutter sparsam Haus hielt und meinte, das Essen zu Hause schmecke besser und sei auch billiger.

Es gab auch Krüppelchen zu sehen und Personen mit Mündern bis zu den Ohren, künstlich fürs Dauergrinsen eingeschnitten, als sie noch Kinder waren, und gut verheilt, solche mit platten Nasen, für welche die Eltern gesorgt hatten, indem sie bereits den Windelkindern ein Brettlein auf die Nase drückten und festbanden, damit sie platt werde, die alle sich für Geld zeigten.Und dann saßen wundersam gekleidete Frauen in einem Zelt, die ihre Augenbrauen kohlschwarz und ihre Lippen rot wie Blut gemalt hatten und die Kleider so trugen, daß man ihre Brüste weitgehend und oft bis zu den Brustnippeln betrachten konnte, obwohl sie doch gar keinen Säugling daran zuckeln ließen.

Unsere Mutter zog uns meist schnell an der geöffneten Zelttüre vorbei; wenn uns allerdings Studenten unserer Burse begleiteten, oder Vaters Famuli, mußte sie laut werden und zur Eile mahnen, weil diese versuchten, doch jetzt gründlich und langsam an dem zur Seite geschlagenen Zeltvorhang vorbeizugehen. Unsere Mägde, die in ihren Körben die Einkäufe schleppten, schauten ebenfalls neugierig, wurden meist rot und kicherten und gingen dann rasch vorbei. Martin, nur etwas älter als ich, fragte einmal, was diese Frauen denn täten oder verkauften, was wir vielleicht gebrauchen könnten. Da wurde unsere Mutter unwillig, meinte, davon würden wir erst etwas verstehen, wenn wir größer wären. Johannes allerdings, sieben Jahre älter als ich, verriet uns, daß er einmal in solch einem Zelt gewesen sei, dort seien kleine Kammern mit Tüchern abgeteilt, und die schönen Frauen würden es einzurichten wissen, daß man gewisse Freuden, von denen ich später noch hören werde, nicht mehr selbst erzeugen muß.

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Vorschaubild: Paul Luther, gemeinfrei

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