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 „Ich bin recht wohl hier aufgenommen worden ...“

Johann Joachim Winckelmanns Wirken auf Schloss Nöthnitz und in Dresden

Auf Schloss Nöthnitz findet Winckelmann eine Anstellung als wissenschaftlicher Bibliothekar. Er recherchiert zur Reichs-Historie des Grafen Bünau und zum Katalogwerk des Bibliothekars Francke. Nach sechs Jahren mischt er sich unter die Dresdner Künstlerszene und wartet, noch bevor er seinen Fuß nach Rom setzt, mit einer epochalen Schrift auf: Gedancken über die Nachahmung der Griechischen Werke in der Mahlerey und Bildhauer-Kunst auf!

Unser Leseangebot
Johann Winckelmann

Begründer der klassischen Archäologie und modernen Kunstwissenschaften

Klaus-Werner Haupt

Das Porträt eines außergewöhnlichen Aufklärers, dessen mysteriöser Mord bei seinen zeitgenössischen und namhaften Verehrern - wie Goethe, Herder oder Anna Amalia - einen Schock auslöste.

Johann Joachim Winckelmann

Johann Joachim Winckelmann

Klaus-Werner Haupt

Geboren am 09.12.1717 Stendal, ermordet am 08.06.1768 in Triest

Winckelmann-Museum Stendal
Winckelmann-Museum Stendal

Johann Joachim Winckelmann wurde am 9. Dezember 1717 im altmärkischen Stendal geboren. In der Lehmstraße 263 (heute Winckelmannstraße 36) wuchs der Schustersohn auf. Der Rektor der Stendaler Lateinschule Esais Wilhelm Tappert erkannte das Talent seines Schülers und ernannte ihn 1732 zu seinem Amanuensis. Als Gehilfe lebte der Fünfzehnjährige fortan im Haus des erblindenden Rektors. Tappert gelang es, die Eltern von der „Bücherkenntnis" und sprachlichen Begabung Johann Joachims zu überzeugen. In der Hoffnung, der Kirche einen würdigen Diener schenken zu können, stimmte der Schuster Martin Winckelmann schließlich einem Universitätsstudium seines Sohnes zu. Zu dessen Vorbereitung besuchte der Junge die Lateinschule im Cöllnischen Rathaus am Berliner Petriplatz. Der Konrektor Christian Tobias Damm begeisterte den Schüler für den Epiker Homer. Von Homer übernahm er den metaphorischen und poetischen Sprachstil - die Kunst, sinnliche Empfindungen in einem poetischen Text wiederzugeben, Unbelebtes als lebendig erscheinen zu lassen. Mehrfach ließ sich Winckelmann mit Homers Büste abbilden und bezog sich in seinen Schriften auf ihn. Im Frühjahr 1738 legte er bei Johann Georg Scholle an der Lateinschule zu Salzwedel sein Examen ab.

Für eine Anstellung im preußischen Staatsdienst war eine zweijährige Studienzeit an der Friedrichs-Universität Halle zu absolvieren. Gern hätte Winckelmann wohl Medizin studiert, aber die Theologische Fakultät war die einzige, die mittellosen Studenten die Studiengebühren erließ. Am 4. April 1738 schrieb sich der 21-Jährige in der Ratswaage neben dem halleschen Alten Rathaus in die Matrikel ein. Am 22. Februar 1740 erhielt er sein theologisches Abgangszeugnis.

Winckelmann blieb in Halle und sammelte erste praktische Erfahrungen. Der 72-jährige Kanzler und erste Ordinarius der juristischen Fakultät, Johann Peter von Ludewig, vertraute ihm die Neuordnung seiner Privatbibliothek an. Johann Heinrich Schulze wirkte als Professor für Medizin, Altertumskunde und Beredsamkeit. Seine Sammlung griechischer und römischer Münzen bildete den Grundstock der archäologischen Universitätssammlung.

Nach der Tätigkeit als Hauslehrer bei Familie Grolmann in Osterburg setzte Winckelmann 1741 sein Studium fort. In Jena widmete er sich höherer Mathematik und Medizin. Die bei dem 44-jährigen Professor Georg Erhard Hamberger erworbenen anatomischen Kenntnisse sollten sich als äußerst hilfreich bei der späteren Beschreibung antiker Kunstwerke erweisen.

Da Pläne für eine Reise nach Paris gescheitert waren, trat Winckelmann im Sommer 1742 eine Stelle als Hauslehrer auf dem Amt Hadmersleben/Börde an. Peter, der Sohn des Oberamtmannes Lamprecht, war 16 Jahre alt und sollte auf den Besuch der Universität vorbereitet werden. In den folgenden neun Monaten entwickelte der junge Lamprecht ein vertrauensvolles Verhältnis zu seinem ungewöhnlichen Lehrer. Wie einst der homerische Mentor fühlte Winckelmann seine Bestimmung darin, für seinen Zögling zu leben und zu leiden.

Nach neun Monaten in Hadmersleben übernahm er das Amt des Konrektors der Lateinschule in Seehausen/Altmark. Obwohl er sich - ganz im sokratischen Sinne - zum Pädagogen berufen fühlte, fand sein Unterricht an der Lateinschule nicht die erhoffte Resonanz. Im Frühjahr 1748 gab es Hoffnung, dem ungeliebten Amt zu entkommen. Heinrich Reichsgraf von Bünau suchte einen Bibliothekar auf Schloss Nöthnitz. Der Teufelskreis schien durchbrochen! Bünau war einer der größten Historiker seiner Zeit. Seine riesige Privatbibliothek Bunaviana und die Nähe der prunkvollen Residenzstadt Dresden lockten. Unter Anleitung des Bibliothekars Francke nahm Winckelmann von 1748 bis 1750 die Materialsammlung und -auswertung für Bünaus Reichs-Historie vor und erhielt so grundlegende Fertigkeiten im Umgang mit Quellen und Dokumenten. Anschließend arbeitete er an Franckes Catalogus Bibliothecae Bunavianae.

Nachts widmete sich der Autodidakt Winckelmann den antiken Klassikern und populären Aufklärern, an den freien Wochenende ging er nach Dresden. Dort hatte Heinrich Graf von Brühl den Besuch der Galerie Royale freigegeben. Im März 1752 besuchte Winckelmann den Adjudanten Peter Lamprecht in Potsdam. Bei seiner Rückkehr schwärmte er von der prunkvollen, aber militärisch strengen Residenzstadt. Er war entschlossen, sich „auf einen gewissen Fuß in Rom zu setzen."

Um seinen „römischen Traum" verwirklichen zu können, hoffte Winckelmann auf sein Glück und die Gunst des Dresdner Hofes. Der dort akkreditierte Nuntius Alberico Archinto stellte ihm eine Beschäftigung bei Kardinal Domenico Silvio Passionei in Aussicht, Bedingung sei die Konversion des Protestanten zum katholischen Glauben! Lange bedachte Winckelmann das Für und Wider, dann vertraute er wiederum auf sein Glück. Schließlich wurde am 11. Juni 1754 der „kühnste Schritt, den er je in seinem Leben getan hatte" vollzogen. Um die Wartezeit bis zur Abreise nach Rom zu überbrücken, zog Winckelmann nach Dresden um.

Im Frühjahr 1755 wechselte er mit der Familie des Malers Adam Friedrich Oeser auf die rechtselbische Seite und bezog eine Stube in der heutigen Königstraße 10. Im gleichen Jahr erschien seine epochale Erstschrift Gedanken über die Nachahmung der Griechischen Werke in der Malerey und Bildhauerkunst. Drei antike Gewandstatuen - die Herkulanerinnen - wurden zum Schlüsselerlebnis für seine Formel von „edler Einfalt und stiller Größe".

Geschichte der Kunst des Alterthums

Geschichte der Kunst des Alterthums
Geschichte der Kunst des Alterthums

Ende September 1755 stand die Reise nach Rom bevor. Am 18. November trat Winckelmann durch die Porta del Popolo in die Ewige Stadt. Mit Hilfe des elf Jahre jüngeren Malers Anton Raphael Mengs kam er im Palazzo Zuccari, einem der größten Künstlerhäuser des Fremdenviertels (heute Bibliotheca Hertziana, Via Gregoriana, 28) unter. Nicht Gemälde, sondern Antiken standen nun im Mittelpunkt des Interesses. Winckelmanns Manuskripte verdeutlichen, wie viel ihm das Studium historischer Quellen, das Prüfen der Antiken auf originale und ergänzte Teile sowie die Beurteilung von deren künstlerischer Qualität bedeutete. Sein Ziel war, die These vom griechischen Ursprung der Kunstwerke unter Beweis zu stellen. Insgesamt vier Reisen führten in zu den Ausgrabungsstätten am Golf von Neapel.

1762 entstand das Sendschreiben von den Herculanischen Entdeckungen, 1764 die Geschichte der Kunst des Alterthums. Mit seinem wissenschaftlichen Werk schuf Winckelmann die Grundlagen der klassischen Archäologie und der neueren Kunstwissenschaften. Die Verbindung von literarischen Quellen und aktuellem Kontext zeugte von einem hochgeschätzten Gelehrten seiner Zeit. Goethes Aufsatzsammlung Winckelmann und sein Jahrhundert (1805) wie auch die Werke der sogenannten Weimarer Klassik enthalten zahlreiche Rückbezüge auf seine Schriften und Briefe.

Winckelmanns Beispiel beweist, dass ein Vorhaben nur mit Enthusiasmus zum Erfolg geführt werden kann. Die beiden Federn, die er zu führen verstand - die kämpferische Vitalität und die poetische Bildlichkeit seiner Sprache - sind noch immer das offene Geheimnis wirkungsvoller Polemik!

Denkmal Johann Joachim Winckelmanns (1859)
Denkmal Johann Joachim Winckelmanns (1859)


  

 

 

 

 



 

  

DEM ERFORSCHER
UND
BEREDTEN VERKÜNDER
DER KUNST DES ALTERTHUMS

Winckelmann-Buchhandlung Stendal
Winckelmann-Buchhandlung Stendal

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Bildquellen:

Angelika Kauffmann, Winckelmann als Antiquar (1764), gemeinfrei

Winckelmann-Museum Stendal, Tel. 03931 215226, www.winckelmann-gesellschaft.com.
Foto: Klaus-W. Haupt (2013)

Geschichte der Kunst des Altertums (1764), gemeinfrei

Ludwig Wilhelm Wichmann, Denkmal Johann Joachim Winckelmanns (1859),
Stendal. Foto: Klaus-W. Haupt (2014)

Winckelmann-Buchhandlung Stendal, Tel. 03931 714932 / Email: buero@wibusdl.de
Foto: Klaus-W. Haupt (2014)

 

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